Bindung

Menschen haben das angeborene Grundbedürfnis, intensive Gefühlsbindungen zu Bezugspersonen einzugehen. Meist sind die Eltern die ersten Bindungspersonen eines Kindes. Im ersten Lebensjahr beginnt das Kind, eine Bindung zu diesen ersten Bezugspersonen aufzubauen.

In bindungsrelevanten Situationen (z. B. Trennung von der Bezugsperson, innere oder äußere Bedrohung, Angst, Schmerz, Müdigkeit) wird bei der Bindungsperson Zuwendung, Nähe oder Schutz gesucht. Das Bindungsverhalten zeigt sich z. B. durch:
  • Nachlaufen
  • Suchen
  • Weinen
  • Festklammern
  • Protest
  • Verzweiflung
  • emotionaler Rückzug oder Resignation

In diesen bindungsrelevanten Situationen ist es Aufgabe der Bindungspersonen dem Kind eine reale, emotionale Sicherheit zu vermitteln und feinfühlig auf das Verhalten des Kindes zu reagieren. Dieses feinfühlige Verhalten ist wichtig, damit zu dem Kind eine sichere Bindung aufgebaut wird. Zum feinfühligen Verhalten gehört:

  •  kindliche Verhaltensweisen wahrnehmen
  •  die Signale des Kindes richtig interpretieren
  •  angemessen, prompt und altersentsprechend auf die kindlichen Bedürfnisse reagieren.

Durch dieses feinfühlige Verhalten der Bezugsperson erlebt das Kind Selbstwirksamkeit und entwickelt ein Gefühl der Selbstbestimmung. Erlebt das Kind wiederholt, dass nicht auf seine Bedürfnisse eingegangen wird, erlebt es Wirkungslosigkeit.

Das Kind verinnerlicht diese Reaktionen der Bezugspersonen auf sein Verhalten, das es in bindungsrelevanten Situationen zeigt. Ein inneres Arbeitsmodell (Bindungsmuster) entsteht. Das spätere Verhalten des Kindes ist daher zielgerichtet und beruht auf den genauen Erwartungen, wie die Bezugspersonen reagieren. Auch wenn die Bezugsperson weg ist, wirkt dieses Arbeitsmodell. Das Arbeitsmodell legt fest, in wie weit jemand in Beziehungen Nähe und Sicherheit erwartet und zulässt. Diese Bindungsmuster sind sehr stabil und nur im Laufe des Lebens veränderbar.

Nur durch eine sichere, emotionale Bindung ist Bildung möglich. Erlebt ein Kind eine innere Grundsicherheit, kann es die Umwelt erkunden (explorieren), Neues ausprobieren, an seine Grenzen gehen und seinem Forscherdrang nachgehen. Dieses Explorationsverhalten ist wichtig für das Lernen und dadurch für die kindliche Entwicklung. Je sicherer eine Bindung ist, desto besser werden die kindlichen Grundbedürfnisse abgedeckt und desto bessere Möglichkeiten hat das Kind zu lernen.

Beim Wechsel zwischen dem Bindungsverhalten und dem Explorationsverhalten ist die Bindungsperson die sichere Basis. Erlebt das Kind Sicherheit und fühlt es sich wohl, so ist das Bindungsbedürfnis befriedigt, das Explorationsbedürfnis kann aktiviert werden, das Kind kann lernen und sich entwickeln. Erlebt das Kind Unsicherheit und fühlt sich nicht wohl, beispielsweise in einer unbekannten Umgebung oder wenn es innere oder äußere Bedrohung erfährt, so wird das Bindungsverhalten aktiviert, das Kind braucht emotionale Unterstützung, das Explorationsverhalten kann nicht aktiviert werden.

In der Rolle als Erzieher/innen sind wir weitere Bindungspersonen, die jedoch den ersten Bindungspersonen (den Eltern) untergeordnet sind. Daher ist es unser Ziel, zu den Kindern eine sichere Bindung aufzubauen, damit ihr Bedürfnis nach Sicherheit gedeckt ist und die Kinder die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln und zu lernen. Auch die Räumlichkeiten werden entsprechend gestaltet, damit sich die Kinder wohl fühlen und sich entwickeln können. Dabei ist es wichtig, dass den Kindern bei Übergängen, wie der Eingewöhnung, Zeit gegeben wird, eine Bindung zu den Erzieher/innen aufzubauen. Das Kind sucht sich dabei zunächst selbst die erste Bezugsperson aus. Die Bindungsqualität zu den Eltern bleibt dennoch bestehen. Wir achten darauf, dass ein Wechsel von Bezugspersonen möglichst vermieden wird und dass sich Zeit für jedes Kind genommen wird. Auch der Wechsel zwischen U3 und Ü3 wird langsam gestaltet und begleitet.